Geschichte | Syrien

Kurze Geschichte SyriensDie Geschichte Syriens erstreckt sich über Jahrtausende

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Kurze Geschichte Syriens

Überblick

In seinen heutigen Grenzen existiert Syrien als Staat erst seit 1943/46, nach dem Ende des französischen Mandats.

Der Name Syrien ist zum ersten Mal während der Antike in griechischer Sprache erschienen; er wurde später im offiziellen römischen und byzantinischen Sprachgebrauch weiterhin erwähnt. Der Name verschwand im VII. Jh. anlässlich der arabischen Eroberung, wurde aber in Europa vor allem während der Renaissance weiter verwendet.

In der arabischen und muslimischen Welt bezeichnete man Syrien mit dem Namen Cham, der gleichzeitig von der Hauptstadt Damaskus getragen wurde.

Unter den türkischen Osmanen war Syrien 1865 der offizielle Name des Vilayet 1/ von Damaskus. 1920 wurde der ehemals osmanische Nahe Osten zugunsten Frankreichs und Großbritanniens künstlichen Umverteilt und das Land wurde ein französisches Mandat unter dem Namen Syrien.

Syrien vor 1916

Der Nahe Osten ist die Wiege einiger der ältesten Zivilisationen der Welt, hat jedoch im Laufe seiner Geschichte Umwälzungen erlebt, die zu einer Vielfalt von Staatsformationen und zu zeitweiligen Unterbrechungen in der Kulturgeschichte führten. 

Das syrische Territorium ist seit der Steinzeit besiedelt: Archäologen haben am Euphrat Reste von dauerhaften Bewohnungen aus dem Jahr 10000 v.Chr. ausgegraben.

Eine der ältesten Städte der Welt, Ugarit, Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs in der syrischen Region Latakia, wurde um 6500 v.Chr. gegründet. Als Handelsstadt spielte sie eine wichtige Rolle zwischen den Hethitern im Norden, den Assyrern im Osten und der ägyptischen Einflusszone im Süden.

In der Nähe von Damaskus wurden Spuren städtischer Siedlungen aus dem IV. Jh. v.Chr.  gefunden.

Syrien befindet sich an der Kreuzung großer Kaiserreiche (Babylon, Griechenland, Persien, Rom, Byzanz, Arabien und Osmanische Türkei) und war nacheinander der Hellenisierung, Romanisierung, Christianisierung, dem persischer und dem türkischen Einfluss ausgesetzt. 

Vor der arabischen Eroberung gehörte der westliche Teil Syriens zum byzantinischen Reich, der Östliche zum persischen Sassaniden-Reich.

Die aus der arabischen Halbinsel stammenden Araber eroberten zwischen 633 und 645 den gesamten Nahen Osten; Syrien kam im Jahr 636 unter ihre Herrschaft und 661 erhob die Abbassiden-Dynastie Damaskus zu ihrer Hauptstadt um die Mittelmeerküste und ihre Erwerbungen im Osten besser unter Kontrolle zu halten.

Dort errichtete zwischen 706 und 715 der Abbassiden Kalif al-Walid I die Moschee die den Namen seiner Dynastie trägt.  

690 wurde Arabisch zur offiziellen Sprache erklärt und mit der Zeit wurde diese Sprache auch von der Bevölkerung übernommen.

Im Endeffekt haben Arabisierung und Islamisierung in der Region den dauerhaftesten und sichtbarsten Eindruck hinterlassen.

Später fanden noch weitere große Umwälzungen statt : die Kreuzzüge, die bereits 1098 zur Eroberung des westlichen Teils Syriens durch europäische Christen und zur Gründung lateinischer Staaten führten: Fürstentum Antiochia (Bohemund von Tarent), 1098; Königreich Jerusalem (Godefroy de Bouillon), 1099; und Grafschaft Tripolis (Raymond de St. Gilles), 1102; die grossen Verwüstungen die 1410 durch die mongolischen Streitkräfte des Kaisers Tamerlan 2/ verursacht wurden.

Nach seiner 1516 erfolgten Eroberung durch die Türken verweilte Syrien bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Osmanischen Reich.

Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916

Während des Ersten Weltkrieges versprachen die Briten den Arabern die Unabhängigkeit, falls diese am Krieg gegen das Osmanische Reich teilnehmen würden. Im Jahr 1916 trafen die Franzosen und die Briten jedoch ein Sykes-Picot genanntes, heimliches Abkommen; kraft dieses Abkommens wurden Syrien und der Libanon 1920 einem französische Mandat unterstellt, während Irak, Palästina und Jordanien unter britisches Mandat kamen. 1939 trat Frankreich den nordwestlichen Teil des osmanischen Syriens, den sandjak von Alexandretta (auf türkisch Iskenderun) an die Türkei ab; Syrien hat diese Abtretung bis heute nicht anerkannt.

1943 gewährte das gaullistische Frankreich dem Lande eine teilweise Unabhängigkeit; erst 1946 wurde Syrien ein souveräner Staat.

Trotz ihrer relativ jüngsten Entstehung blickt die Republik Syrien auf eine über tausendjährige Geschichte und Kultur zurück.

Der Krieg von 2011

2011, als auch in Syrien im Rahmen des sogenannten Arabischen Frühlings politische Forderungen gestellt wurden, schlichen sich Gruppen von Wahhabo-Takfiristischen Kämpfern 3/ (unter Namen, die den jeweiligen Umständen angepasst wurden) in lokale Demonstrationen ein und begannen einen äusserst gewaltsamen Krieg gegen die Regierung, der mit der Zeit die Existenz Syriens als Staat gefährdete.

Finanziert, bewaffnet, ausgerüstet und ausgebildet von fremden Mächten hatten diese Kämpfer zum Ziel, das syrische politische System zu verändern.

Ende 2015, griff die Russische Föderation auf Ersuchen Syriens militärisch gegen die Angreifer ein, unterstützt durch den Iran und die Hisbollah Libanesen.

Anfänglich als Bürgerkrieg bezeichnet, stellte sich dieser Krieg bald unmissverständlich als einen Stellvertreterkrieg heraus, der von antagonistischen politischen Kräften auf dem Boden und auf Kosten Syriens geführt wurde.

Mit Ausnahme der östlich des Euphrats gelegenen Gebieten und der Provinz Idlib (Nordwesten) gelang es der syrischen Armee mit Hilfe ihrer Verbündeten bis Ende 2018 ihre Souveränität über das syrische Territorium wieder herzustellen.

Das Land wurde jedoch durch die Kämpfe erheblich beschädigt und verlor einen Teil seiner Bevölkerung, die vor dem Krieg ins Ausland flüchtete. Darüber hinaus wurden über Syrien von denselben Mächten, die seine Angreifer unterstützten, harte wirtschaftliche Sanktionen verhängt.

Der Krieg hat auch zu einer Spaltung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen geführt, die zuvor friedlich innerhalb seiner Grenzen koexistierten.

Die Vereinten Nationen und vor allem Russland, die Türkei und der Iran bemühen sich zurzeit um eine politische Lösung des Krieges.

Seinerseits setzt Syrien seine Bemühungen um die Befreiung des gesamten staatlichen Gebiets fort und hat mit dem Wiederaufbau des Landes begonnen. Das Ausmaß des erlittenen Schadens, die Aufrechterhaltung von Sanktionen und Feindseligkeiten seitens der Angreifer erleichtern natürlich die Rehabilitation des Landes nicht.

Andererseits wird der Krieg durch die Besatzung eines Teils des Landes durch fremde Truppen (USA, NATO, Türkei) sowie das Auftauchen von kurdischen Forderungen, die durch die Besatzer instrumentalisiert werden, weiterhin verlängert und der Wiederaufbau hinausgezögert.


1 / Das vilayet ist eine administrative Unterteilung des osmanischen Reiches;

2 / Tamerlan (1336-1405) : mongolischer Eroberer, Gründer der Timuriden-Dynastie;

3/ Der Wahhabismus ist eine rigoristische Doktrin, die in Saudi-Arabien als offiziell gilt; diese betrachtet alle Muslime, die sich nicht dazu bekennen, als Abtrünnige. Er steht dem Salafismus nahe, dessen jihadistische Variante die in der muslimischen Welt geschaffenen Grenzen nicht anerkennt, und sich für die Errichtung eines islamischen Staates und die Wiederherstellung des Kalifats in gewalttätiger Form einsetzt. Der Takfirismus ist eine Bewegung, die Muslime, die ihren Standpunkt nicht teilen, als Ketzer brandmarkt und sich gewalttätig verhält. Diese drei Lehren dienen den überwiegend aus dem Ausland stammenden Gruppen von Anti-Regierungskämpfern als Grundlage.


Ugarit und die wichtigsten Stätten Syriens während der hittischen Herrschaft (XIII. Jh. v.Chr.)


Die Antike in Syrien

Die Stadt Ugarit

Ugarit ist eine alte Handelsstadt im Nahen Osten die im heutigen Ras Shamra, nördlich von Latakia liegt und früher Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs war.

Archäologische Untersuchungen haben bewiesen, dass Ugarit bereits im Neolithikum bewohnt war, aber die Geschichte der Stätte ist erst ab Mitte des XIV. Jh. v.Chr. besser bekannt. Der Reichtum der Stadt ist dem Umstand zu verdanken, dass eine Straße, die das Mittelmeer mit dem mesopotamischen Becken verband und sowohl vom Hethiterreich im Norden, dem Assyrerreich im Osten und der ägyptischen Einflusssphäre im Süden benutzt wurde in Ugarit endete.

Nachdem die Stadt zu Beginn des XII. Jh. v.Chr. zuerst Vasall der Ägypter, dann der Hethiter gewesen war, wurde sie von Eindringlingen angegriffen, die als Seevölker bekannt sind; nach ihrer Einnahme plünderten und zerstörten die Angreifer die Stadt, welche später von Viehzüchtern neu besiedelt wurde.



Das römische Amphitheater von Jablah

Jablah ist eine 25 km südlich von Latakia gelegene Stadt an der Mittelmeerküste mit 80’000 Einwohnern.

Die Geschichte der Stadt reicht mindestens bis zum II. Jahrtausend v.Chr. zurück. Zuerst dem  Königreich Ugarit untertan, wurde Jablah später Bestandteil der hellenistischen und römischen Welt.

Die Römer hinterließen in der Stadt ein großes Amphitheater, das vermutlich zwischen 193 und 235 n.Chr. unter der Severiner-Dynastie errichtet wurde. Zwischen 1098 und 1285 n.Chr. verwandelten es die Kreuzfahrer des Fürstentums Antiochia in eine Festung. 

Das Gebäude ist nach Norden ausgerichtet und besteht aus sandigen Kalksteinblöcken. Es ist durch 17 Tore zugänglich und seine 35 Sitzreihen bieten Platz für 8000 Zuschauer.

Heute ist die Stadt weitgehend von Alawiten besiedelt und wurde ab 2011 kaum vom Krieg betroffen; eine Ausnahme bildeten vier Selbstmordattentate, die 2016 von Salafisten (ISIS) verübt wurden.



Damaskus und die Via Recta

Damaskus ist eine der ältesten Städte im Nahen Osten und eine der ältesten ununterbrochen besiedelten Städte der Welt.

Damaskus ist 80 km vom Mittelmeer entfernt und liegt auf einer Hochebene, 680 m über dem Meeresspiegel.

Die lange Geschichte von Damaskus wird durch Ausgrabungen in Tell Ramad am Stadtrand offenbart; diese zeigen, dass die Stadt bereits zwischen 6000 und 5000 v.Chr. besiedelt war. 

63-64 v.Chr. annektierte der römische General Pompeius (106-48 v.Chr.) den westlichen Teil Syriens. Als wichtiges Zentrum der griechisch-römischen Kultur wurde Damaskus in der Folge  in die Decapolis 1/ genannte Liga aufgenommen.

Die Stadt wuchs im II. Jh. zu einer großen Metropole an. Im Jahr 222 n.Chr. ließ der römische Kaiser Septimius Severus (193-211) dort eine Kolonie errichten.

Die Via Recta (Gerade Straße), die die Altstadt von Damaskus von Osten nach Westen durchquert, ist eine der ältesten Straßen der Welt. Sie entspricht dem decumanus 2/ der antiken römischen Stadt. Trotz der langen Geschichte und den Veränderungen, die Damaskus durchlaufen hat, ist ihr diese Straße, die heute Midhar Pascha genannt wird, als Rückgrat erhalten geblieben.

Die Via Recta bildet das physische und spirituelle Ende des Weges nach Damaskus, der eng mit der Geschichte des Christentums verbunden ist. Nach dem Neuen Testament hatte Paulus von Tarsus auf diesem Weg eine Erscheinung und bekehrte sich darauf zum Christentum.

Die 1,5 Kilometer lange Straße beginnt im Osten am Sharqi-Tor (Bab Sharqi) und endet im Westen beim Suk al-Hamidiya und der Umayyaden-Moschee.

Durch Bab Sharqi tritt man in ein christliches Viertel ein, das auf der Höhe eines 2000 Jahre alten römischen Rundbogens, der ursprünglich die Kreuzung mit dem cardo maximus 2/ markierte, in den muslimischen Bezirk übergeht.

Am östlichen Ende des Suks sieht man die Überreste des alten römischen, dem Gott Jupiter gewidmeten Temenos 3/, der im IV. Jahrhundert n.Chr. durch die christliche Basilika St. Johannes des Täufers ersetzt worden war. Um 664, als Damaskus die Hauptstadt der Umayyaden wurde, kauften die neuen Herren der Stadt den Christen die Kirche ab und bauten ihnen zudem vier neue Kirchen. Zwischen 706 und 715 n.Chr. errichtete der Kalif al-Walid I die Moschee, in der noch Reste der antiken römischen Konstruktion (die zu Minaretten umgebauten Ecktürme und der Glockenturm, Teile einiger Aussenwände) erhalten geblieben sind.


1/ Decapolis bezeichnete in der Antike zehn Städte östlich des Jordans, die in einer Liga zusammengefasst waren; wahrscheinlich von griechischen Kolonisten gegründet, litten sie unter der Rivalität ihrer semitischen Nachbarn. Die Liga entstand aus der Notwendigkeit, die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen zu verbessern und sich gegen ihre Nachbarn zu verteidigen. Die römische Eroberung im Jahr 63 v.Chr. wurde von diesen Städten griechischer Kultur als Befreiung empfunden. In der Folge brachte die Pax Romana die Liga allmählich zum Verschwinden.

2 / Cardo und Decumanus definierten in der römischen Stadt die beiden Achsen (Nord-Süd und Ost-West), die das Zentrum strukturierten;

3/ Definierte im antiken Griechenland einen geheiligten Raum, der als Heiligtum betrachtet wurde wenn er durch eine Perbola genannte Umrahmung begrenzt war; diese konnte verschiedene Formen annehmen (Steinpfosten, Zaun, Mauer, Portikus).


 


 

Cosimo Nocera ist Historiker und Museumsführer am Nationalmuseum in Bangkok. Er lebte und arbeitete in Italien, der Schweiz und den Andenländern (Peru, Ecuador und Bolivien). Nach einem längeren Aufenthalt in Südost Asien, lebt er derzeit in der französischen Schweiz.

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